Theater Heute 8/9 2013 Dorothea Marcus zu Chez Icke:
"Tatsächlich ist wohl kaum ein größerer Gegensatz zu Bartana möglich, als wenn man abendlich bei «Chez Icke» hineinstolpert. Da erlebt man am eigenen Körper, dass kulturelle Identität nicht nur aus historischen Traumata, sondern auch aus den Konsequenzen der eigenen Netz-Existenz besteht. Denn wenn der Mensch heute schon keine individuelle Heimat mehr hat, weil alles gleich aussieht, kann man sich wenigstens in den so ähnlichen Stammkneipen dieser Welt wie zu Hause fühlen. Von diesem Gedanken lebt Gesine Danckwarts «theatralische Kneipen-Installation». Die heimelig-rosa Kneipe, in den vier Festivalstädten Köln, Mülheim, Bochum und Düsseldorf aufgebaut, ist ein multimedialer und -funktionaler Glücksfall: Festivalzentrum, Verknüpfungspunkt der traditionell zersplitterten «Impulse». Auf den ersten Blick verspielt und etwas albern vertrasht, ermöglicht «Chez Icke» auf den zweiten Blick Reflexionen über das, was das Internet mit dem eigenen Bewusstsein macht: die Dekonzentration, das Multimediatasking. Zunächst kann man sich da auf einen Flirt mit Barvatar Sebastian mit rosa glitzerndem Cowboy-Hut einlassen, der unser intimes Kneipengeplauder mit Fragen steuert, die ihn von einem anderen Barbesucher über Kopfhörer ins Ohr geflüstert werden. Je nach diskursiver Wollust des Steuerers kann das sehr spannend sein. Wir stehen in Mülheim, sind aber durch seine im Hut installierte Live-Cam in Köln zu sehen. Das spiegelt schön, wie durch das Internet zweifelhafte Utopien wahr werden: überall und nirgends sein zu können, öffentlich und privat zugleich. Das privateste Glück kann man im virtuellen Raum finden und sich auf den gleich aussehenden Einkaufsstraßen der Heimat verlieren."
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